Ist wirklich gut-wenn alles gut ist?
Equine Thermografie im Reitsport
In Österreich wird die Equine Thermografie als bildgebendes Verfahren relativ wenig im Reitsport eingesetzt. Warum? Der folgende Artikel soll versuchen dies aufzuklären. Gleichzeitig soll er aber auch die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten aufzeigen, die dieses Verfahren bietet. Er soll aber auch die Grenzen und Kritiken beleuchten.
Was ist Equine Thermografie!
Die Thermografie macht sich zunutze, dass sie Wärmestrahlung sichtbar macht. Überall wo verschiedene Wärmemuster entstehen kann eine Infrarot-Aufnahme Auskunft geben über verschiedene Intensitäten von Strahlungsstärken bzw. über Temperaturen. Je empfindlicher die Infrarotkamera je differenzierter ist eine Aussage über die Wärmeverläufe eines Objektes möglich. Ein Organismus gibt durch unterschiedliche Stoffwechselvorgänge unterschiedliche Infrarotstrahlungen ab. So lassen sich Entzündungen mit einer erhöhten Stoffwechseltätigkeit, und verminderte Durchblutungen mit verminderter Stoffwechseltätigkeit mit Hilfe der Thermografiekamera bildlich darstellen. Eine gute Kamera kann unter optimalen Aufnahmebedingungen kleinste thermische Anomalien aufspüren.
In der Humanmedizin wird dieses Diagnoseverfahren mit immer größer werdendem Interesse betrachtet und sogar zur Auffindung von Brustkrebs bei Frauen genutzt.
Die Thermografie als bildgebendes Verfahren kann im Bereich des Reitsports und der Veterinärmedizin, gerade im Bereich der Begutachtung des Bewegungsapparates eines Pferdes, sehr interessante Aussagen machen. Röntgen, CT, Sonografie etc. eignen sich hervorragend zur Darstellung von Erkrankungen im Knochen- und Gelenksbereich. Die Thermografie zeigt aber auch Veränderungen im Muskel-, Sehnen- und Weichteilbereich. Schmerzpunkte (Triggerpunkte), die uns das Pferd bekanntlich schlecht „zeigen“ kann, lassen sich über die Thermografie nicht nur punktgenau lokalisieren sondern es läßt sich anhand der Farbintensität des Bildes auch die Ausstrahlung erkennen.
Was kann die Equine Thermografie
Die Thermografie ist ein bildgebendes Verfahren zur frühen und differenzierten Feststellung von Wärmemustern. Als nicht-invasives Verfahren ist es dabei völlig unschädlich für das Tier, es ist bei der Durchführung keine Fixierung erforderlich und durch die Handlichkeit der Kamera können die Aufnahmen in vertrauter Umgebung gemacht werden. Das sind große Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Verfahren. Eingesetzt wird die Thermografie in sehr unterschiedlichen Bereichen, wobei der tiermedizinische Einsatz heute eigentlich den kleinsten Anteil thermografischer Untersuchungen ausmacht. Durch immer bessere und auch bezahlbarere Kameras kommt die Thermografie jetzt immer mehr im Bereich der Sattelanpassung, bei der orthopädischen Vorsorge, der Überprüfung und der Erfolgskontrolle des Heilungsverlaufes erkrankter Tiere, aber auch bei der Beurteilung von Fehlbelastungen im Hufbereich, zum Einsatz. So arbeitet der Equine Thermograf heute weit häufiger zusammen mit Sattlern, Schmieden und Trainern als mit Tierärzten.
Im Folgenden eine Auflistung der Einsatzgebiete:
Lahmheitsdiagnostik und Beurteilung des gesamten Bewegungsapparates.
Auffindung und Lokalisation von Schmerzen im Rückenbereich.
Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitskontrolle bei Sportpferden.
Überwachung und Erfolgskontrolle des Heilungsverlaufs bei erkrankten Tieren.
Überprüfung und Beurteilung der Passgenauigkeit eines Sattels.
Beurteilung von Fehlbelastungen im Hufbereich.
Auffindung von Entzündungsherden im Kiefer- und Zahnbereich.
Beurteilungen von Hauterkrankungen.
Was beeinflusst die Bildaufnahme
Um eine vernünftige Thermografie durchzuführen muss man sich überlegen, was die Aufnahmen beeinflusst. Daraus ergibt sich, dass jede Form des Auskühlens oder Erwärmens des Körpers störend wirkt, da es die Wärmeabgabe des Tieres unterbricht. Zugluft, Sonne oder andere warme Bestrahlungen sind also contrainduziert. (LED- Licht als kaltes Licht hingegen nicht).
Berührungen, Striegeln, Streicheln erhöht die Durchblutung der Haut an den betroffenden Stellen und führt zu falschen Wärmemustern, es sollte daher möglichst unterbleiben. Auch Sprays, Narben oder Verunreinigungen können bei der Auswertung der Bilder zu Fehlinterpretationen führen. Aus diesem Grund gibt es inzwischen Kameras, die neben den IR-Bildern gleichzeitig echte Fotos machen, um solche Fehler auszuschliessen. Es reicht aber auch, das Pferd vor der Thermografie gründlich zu fotografieren.
Lange Haare und kurze Haare führen natürlich auch zu unterschiedlichen Effekten, genauso wie Langhaar, welches den Körper verdeckt, daher sollten Mähne und Schweif schon in der Vorbereitung hochgebunden werden. Ein normales Winterfell stört die Aufnahme eigentlich wenig, da weniger mit absoluten Messgrößen gearbeitet wird als mit vergleichenden. Bei teilgeschorenen Pferden ist dies natürlich zu berücksichtigen.
Aufgrund dieser Voraussetzungen gelingen die besten Aufnahmen in einem ruhigen zugluftfreien Raum an einem möglichst sauberen Pferd mit hochgebundenem Langhaar.
(an dieser Stelle wird vielleicht auch klar warum es keine „Canine Thermografie“ gibt: Das Pferd steht zu 95% des Tages auf seinen Beinen, im Gegensatz zum Hund. Durch das Liegen entsteht Druck und damit eine bessere Durchblutung von Hautarealen, die das Bild verfälschen würden. Wärmeverläufe wie beim Pferd sind nicht darstellbar!)
Bildaufnahme und Auswertung
Bei einer kompletten Thermografie des Pferdes werden alle großen Gelenke von allen Seiten aufgenommen. Zusätzlich werden Bilder von Kopf, Hals, Bauch, Rücken und Kruppe von beiden Seiten gemacht. Wichtig ist bei der Aufnahme dieser „Standards“, dass Objektabstand und Aufnahmewinkel korrekt sind. Dies kann ein wenig die Geduld des Pferdehalters und des Pferdes fordern, ist aber unerläßlich, da nur mit vernünftigen Aufnahmestandards korrekte Aussagen gemacht werden können.
Wie werden nun diese „bunten Bildchen“ ausgewertet? Nach dem Angleichen der Temperaturbereiche der Einzelbilder, versucht der Thermograph mit einer speziellen Software aus den Einzelbildern das komplette Pferd zusammenzubauen. Dabei werden Wärmeverläufe durch das Pferd deutlich, die auf verschiedene Ursachen hinweisen können. So läßt sich eine Blockade im Kiefergelenk häufig bis in die Hinterhand verfolgen. (Auch eine einseitig stärkere Zügelführung bleibt dem Thermografen nicht verborgen) Im Anschluss an diese Wärmeverläufe werden nun die einzelnen Gelenke miteinander verglichen, Vorderbeine links – rechts, Hinterbeine mit Vorderbeinen, etc. Diese vergleichende Auswertung in Verbindung mit dem allgemeinen Wärmeverlauf führen dann zu einer Gesamtaussage.
Auffallende Wärmemuster werden notiert, sind aber immer mit Vorsicht zu interpretieren, da sie schon durch kleinste Verunreinigungen entstanden sein können.
Im Bereich der Sattelanpassung werden Bilder vom Rücken des Pferdes vor und nach dem Reiten, von der Sattelrückseite nach dem Reiten und wenn vom Reiter gewünscht auch von dessen Gesäß aufgenommen. Damit lässt sich eine Aussage machen zum Zustand des Pferderückens unter der Berücksichtigung des Reitersitzes, sowie über den Zustand des Sattels.
Kosten der Equinen Thermografie
Was kostet nun der Spass? Eine komplette Thermografie liegt im Durchschnitt bei 130 Euro. Thermografien zur Passgenauigkeit des Sattels bei ca. 80 Euro. Teuer wird leider häufig die Anfahrt, da es nur wenige Thermografen in Österreich gibt. Diese versuchen aber ihre Kunden zu Touren zusammenzufassen, um den finanziellen Aufwand zu verringern. Zu einer Thermografie gehört, neben der Aufnahme der Bilder, die Erstellung eines Protokolls mit fachkundlicher, thermografischer Beurteilung in Bild- und Schriftform, die dem Kunden zur Verfügung gestellt wird.
Studien zur Thermografie und was sich daraus ableiten lässt.
Im Jahr 2014 gab es eine thermografische Untersuchung an 100 Reitpferden. Untersucht wurden klinisch unauffällige Sportpferde, die geritten wurden. Die Tabelle zeigt das Ergebnis dieser Untersuchung. Die Studie zeigt alle thermografischen Auffälligkeiten unterteilt nach Schweregrad in Bezug auf die Körperareale. Neben der allgemeinen Untersuchung der Pferde wurde auch die Passgenauigkeit der hundert Sättel betrachtet. Das Ergebnis war erschreckend: 88 der untersuchten Sättel passten schlecht oder gar nicht.
Quelle: Marco Jensch, thermografische Früherkennung bei Pferden, Erhebung an 100 Reitpferden, 2014
Die zitierte Erhebung zeigt, dass eine regelmäßige Thermografie durchaus in der Lage sein kann Unwohlsein, vermutlich verbunden mit Schmerzen, frühzeitig zu identifizieren. Auch wenn diese Untersuchung mit nur 100 Pferden vielleicht nicht wirklich wissenschaftlich durchgeführt wurde, zeigt sie jedoch, dass die Thermografie in der Vorsorge und der Sattelkontrolle seine Berechtigung hat und in Intervallen von 6-12 Monaten in das Vorsorgeprogramm mit aufgenommen werden sollte.
Diskussion
Sucht man die Equine Thermografie im Internet, wird man schnell auf eine wilde Diskussion treffen, was mit der Thermografie möglich ist und was nicht. Natürlich lässt sich eine Thermografie im Pferdstall nicht unter Laborbedingungen durchführen. Allerdings kann ein geübter Thermograf die geforderten Aufnahmestandards sehr gut einhalten und relativ gute Aufnahmebedingungen schaffen.
Der gute Equine Thermograf sollte das grundsätzliche Wissen über die IR-Kamera und ein gutes Wissen über die Anatomie des Pferdes und den Reitsport haben, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Durch das Auffinden der Wärmeverläufe und den Vergleich der Einzelaufnahmen wird bei der Auswertung sehr schnell klar, was sein kann und was nicht. Aus diesem Grunde bin ich auch der Überzeugung, dass ein reiner Gebäudethermograf ohne zusätzliche Ausbildung zum Equinen Thermografen bei der Interpretation der Bilder Schwierigkeiten habe wird. Abschliessend sollte aber klar sein, dass eine Equine Thermografie eine thermografische Auswertung von Wärmemustern ist und keine tiermedizinische Diagnostik und das bei der Anwendung der kleinste Anteil der tiermedizinischen Unterstützung dient.
Zusammenfassung
Der Artikel soll die Equine Thermografie vorstellen mit all ihren Möglichkeiten Als nicht-invasives, preiswertes und leicht durchzuführendes Verfahren, eignet es sich besonders im Bereich der Sattelpasskontrolle und der orthopädischen Vorsorge.
Es wurde gezeigt, dass eine regelmäßige thermografische Untersuchung, insbesondere des Reitpferdes, eine sinnvolle Ergänzung des Vorsorgeprogrammes ist.
Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass eine nicht fachgerecht durchgeführte Equine Thermografie zu deutlich falschen Ergebnissen führt und daher in die Hände von Fachleuten gehört.
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